Gedanken zum BIM-Leitfaden Straßenwesen Ba-Wü

Gedanken zum BIM-Leitfaden Straßenwesen Ba-Wü

Das Bundesland Baden-Württemberg hat im Februar 2021 einen BIM-Leitfaden für das Straßenwesen herausgegeben. Dabei handelt es sich laut Aussage der Autorinnen und Autoren um das zentrale Dokument für die Einführung und für ein einheitliches Verständnis der BIM-Methodik in der Landesverwaltung. Gleichzeitig soll der 60 Druckseiten umfassende Leitfaden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg als Handreichung für die Vorbereitung, Planung und Durchführung von BIM-Projekten dienen. Notiert ist zudem, dass der BIM-Leitfaden auch allen Partnern außerhalb der Verwaltung frei zur Verfügung steht. Damit soll erreicht werden, dass sich Unternehmen, Ingenieurbüros, Hochschulen und Universitäten sowie Vereine und Verbände an diesem Leitfaden und der Vorgehensweise der Straßenbauverwaltung des Landes orientieren können. Auf diese Weise werden Informationen vermittelt, die Einführung der BIM-Methode landesweit vereinheitlicht sowie Grundlagen für ein gemeinsames Verständnis geschaffen.

Kooperation und Kollaboration

Grundsätzlich begrüße ich das Erscheinen dieses BIM-Leitfadens Baden-Württemberg und spreche damit sicherlich ebenfalls im Namen von ausführenden Bauunternehmen. Aber ich habe auch Kritik an diesem zentralen Dokument. Im Leitfaden fallen die Begriffe Kooperation und Kollaboration – das ist gut – aber die Belange der Baufirmen sind trotzdem nicht ausreichend berücksichtigt worden. Beim Lesen des Leitfadens ist mir aufgefallen, dass sich die Autorinnen und Autoren über den für Auftragnehmer so wichtigen Bauprozess zu wenige Gedanken gemacht haben.

So wird zum Beispiel dargestellt, dass bei der Einführung von BIM die Leistungsniveaus der VDI-Richtlinie 2552 eine technisch-organisatorisch geeignete Orientierung sind. Schaue ich mir die Übersicht der Leistungsniveaus an, fällt mir auf, dass beim Leistungsniveau 3 ein Modellserver mit vollständig offenen Prozess- und Datentransaktionen erwähnt wird. Das klingt erst einmal gut, jedoch muss diese überblickmäßige Aussage schnellstmöglich konkretisiert werden. Insbesondere die Prozesse rund um die Abrechnung – die Stichworte lauten hier Abrechnungszeiträume sowie wachsendes as-built-Modell – müssen noch gut überlegt und ausgearbeitet werden.

Warum werden Software-Produkte genannt?

Auf der Seite 15 des BIM-Leitfadens werden konkrete Softwareprodukte genannt. Ich verstehe das so, dass es hier um die Anwendung vorhandener Programme durch die Straßenbauverwaltung von Baden-Württemberg geht. Mir stellt sich dabei die Frage, was diese Interna in einem öffentlichen Leitfaden zu suchen haben. Leserinnen und Leser des Dokumentes könnte fehlinterpretieren, dass Auftragnehmer zwingend mit diesen Softwareprodukten arbeiten müssen. Erst auf der Seite 25 des BIM-Leitfadens, in Kapitel 3.2.9.2, erster Absatz, wird klargestellt: „Der Auftragnehmer ist frei in der Wahl seiner Softwarewerkzeuge zur Umsetzung der einzelnen BIM-Leistungen.“ Trotz dieser Aussage sollte meiner Meinung nach auf die Nennung von Softwareprodukten grundsätzlich verzichtet werden.

Positiv: Open-BIM-Ansatz

Positiv ist mir im BIM-Leitfaden auf der Seite 25 das Kapitel 3.2.9.3 mit der Überschrift „Datenaustauschformate“ aufgefallen. Denn dort heißt es: „In den Auftraggeber Informationsanforderungen (AIA) sollen zugunsten des Open BIM-Ansatz und der Verpflichtung zur Anwendung des OKSTRA keine herstellerabhängigen Datenformate gefordert werden“. Diese Aussage ist vollkommen richtig, denn die Zukunft im Bauwesen heißt Open-BIM. Davon bin ich fest überzeugt.

Negativ: Beweislast liegt beim Auftragnehmer

Negativ aufgefallen ist mir das Kapitel 3.2.2 auf der Seite 19 des BIM-Leitfadens. Dort steht: „Gegebenenfalls können digitale Grundlagen schon während der Ausschreibung vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. In diesem Fall hat der Auftragnehmer zu prüfen, ob diese digitalen Grundlagen für die Umsetzung der BIM-Anwendungsfälle geeignet sind.“ Das ist aus meiner Sicht einer der Hauptknackpunkte. Zum einen der Konjunktiv „Gegebenenfalls können …..“. Und dann auch noch die Umkehr der Beweislast auf den Auftragnehmer, der prüfen soll, dass die Daten ausreichend sind. Hier MUSS eine für den Auftraggeber zwingend einzuhaltende Regelung geschaffen werden!

Dazu ein Beispiel, welches ausdrückt, dass dringender Handlungsbedarf besteht: Ich habe Anfang Juni die Unterlagen eines Bauprojektes aus Baden-Württemberg auf den Tisch bekommen. In den Dokumenten wird vom Land als Auftraggeber BIM in allen Facetten vom Auftragnehmer gefordert. Die Pläne wurden jedoch ausnahmslos als PDF-Format zur Verfügung gestellt. Unter Kooperation und Kollaboration verstehe ich etwas anderes.

Keine geschlossenen Volumenkörper notwendig

Ich bleibe bei meiner Meinung, dass innerhalb eines BIM-Prozesses nicht unbedingt Modelle in Form geschlossener Volumenkörper übergeben werden müssen. Denn Planerinnen und Planer erstellen Modelle sowie meist anders, als Bauunternehmen diese verwenden können. Jedoch sollte zwingend eine geometrische Beschreibung der zu bauenden Objekte nach Lage und Höhe an jeder Stelle vorhanden sein, nach denen der Auftragnehmer die Modelle schnell und sicher neu erstellen kann. Und diese Beschreibung sollte als Pflicht für den Auftraggeber definiert sein! Im Idealfall gehören im Straßenbau neben Achsen und Gradienten ergänzend ein Drahtgittermodell der Fahrbahnränder bzw. korrekte DGM-Horizonte zu dem, was Auftraggeber zu liefern haben. All das sind Daten, für die es schon seit der Lochkartenzeit Datenformate gibt (REB 1979!). Aus welchen Gründen auch immer: In aller Regel werden „dumme“ Pläne im PDF-Format geliefert.

Die Frage nach dem Koordinatensystem

Ein weiterer Sachverhalt ist mir im BIM-Leitfaden aufgefallen, Leserinnen und Leser finden diesen auf der Seite 22 im Kapitel 3.2.8.1 „Koordinatensysteme“. Dort heißt es: „Es sind grundsätzlich die im Land Baden-Württemberg gängigen Koordinatensysteme UTM32N/
ETRS89 anzuwenden.“ Auftraggeber können sicherlich fordern, dass Auftragnehmer am Ende einer Baumaßnahme das as-built-Modell im Koordinatensystem UTM übergeben sollen. Offen bleibt jedoch, wie zuvor der Abrechnungsprozess laufen soll.

Zu diesem Thema ein Textauszug aus meinem Blogbeitrag vom Januar 2019 mit der Überschrift „UTM behindert BIM-Anwendungen“. „Der Raum München zum Beispiel liegt in dem Bereich, in dem der gedachte Zylinder das Ellipsoid durchdringt, der Maßstabsfaktor ist hier 1,00. Orte, die innerhalb der Linie Bremen-Stuttgart liegen – das trifft zum Beispiel auch für Gemeinden im Rhein-Main Gebiet zu – befinden sich im Bereich der Zonenmitte und somit im Segment der größten Maßstabsänderung.“ Fakt ist: Die Bauausführung muss in einem unverzerrten lokalen System stattfinden, dafür sorgen auch die Vermesserinnen und Vermesser vor Ort. Damit muss auch die Bauabrechnung ist diesem System stattfinden – und nicht in UTM. Sonst käme es zu massiven Abweichungen zwischen Modell und Abrechnung, die nicht erklärbar wären.

Modelle als Proxykörper übergeben

Auf der Seite 34 im Kapitel 4.2.9.3 des BIM-Leitfadens steht unter der Überschrift „Datenaustausch und -übergabe“ folgendes: „Der OKSTRA ist das für die Straßenbauverwaltung gültige Datenaustauschformat. Die Verwendung anderer Formate kann zweckmäßig sein und bedarf der vertraglichen Vereinbarung, zum Beispiel Open-BIM oder IFC Road.“ An anderer Stelle, auf der Seite 56 des Leitfadens, wird präzisiert: „Datenformate: Open-BIM als mittel-/langfristige Lösung; IFC Road und Bridge als kurzfristige Lösung bis der OKSTRA 3D-fähig ist in der Version 2.02X oder höher.“

Dazu habe ich folgende Meinung: OKSTRA ist grundsätzlich ein guter Ansatz, aber eben noch nicht 3D-fähig. IFC Road ist ebenfalls noch in Arbeit. Was verstehen die Autorinnen und Autoren des Leitfadens somit unter dem Begriff kurzfristig? Der für mich naheliegende Ansatz, das vorhandene IFC Format zu verwenden, fehlt. Ich sage deshalb: Statt keine Lösung zu haben, wäre eine Übergabe der Modelle als sogenannte Proxykörper (statische Modelle) im aktuellen IFC-Format möglich. Ich denke zudem, dass nach dem Abschluss von Bauarbeiten eine Änderung von Objekten über Parameter – was eigentlich das Wesen von IFC ausmacht – gar nicht notwendig und auch nicht gewollt ist. Denn das as-built-modell ist ja eine Art Dokument, das nicht mehr verändert werden soll. Hinweise dazu finden Interessierte in meinen Blog-Beitrag vom Dezember 2020 mit der Überschrift „Die klassischen Irrtümer über IFC.“

Frank Kocher

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