Die klassischen Irrtümer über IFC

Die klassischen Irrtümer über IFC

Das Datenaustausch-Format IFC ist fest mit dem Begriff BIM verbunden. Auch wenn zunehmend Cloud-Lösungen in den Fokus von Anwendern im Bauwesen geraten und diese einen Austausch überflüssig erscheinen lassen, bin ich der Überzeugung, dass Datenaustauschformate weiterhin notwendig sind. Daher ist es wichtig, sich mit den Möglichkeiten von IFC zu beschäftigen.

IFC im Hochbau

Besonders bei Hochbaumaßnahmen ist bereits in der Planungsphase ein reger Austausch zwischen Architekten und Fachplanern notwendig. So erhalten zum Beispiel Planer für die technische Gebäudeausrüstung (TGA) von Architekten Rohbaumodelle und ergänzen diese um die von ihnen vorgesehenen Leitungen und Aggregate.

Bei dieser Arbeitsweise werden die Teilmodelle nach und nach in einem Koordinationsmodell vereinigt, in dem dann auch Kollisionsprüfungen vorgenommen werden. Dieser Austausch hochwertiger Dateiformate erfolgt in der Regel über das internationale Format IFC, das bereits seit vielen Jahren im Hochbau genutzt wird. IFC ist die Abkürzung für „Industrial Foundation Classes‘, was wörtlich übersetzt ‚industrielle Grundlagenklassen-Bauteile‘ bedeutet. Diese Klassen beschreiben Bauteile wie Wände oder Decken. Augenscheinlich handelt es sich somit um eine klassische Anwendung für den Hochbau.

IFC im Tiefbau

Weil es beim Datenaustausch-Format IFC zunächst in erster Linie um die Arbeit mit  Bauteilen aus dem Hochbau geht, hört man im Zusammenhang mit Straßen- und Tiefbauprojekten immer wieder das Argument, dass BIM in dieser Sparte des Bauwesens erst möglich wird, wenn es eine sogenannte IFC roads – Schnittstelle gibt.

Meiner Meinung nach ist die Ansicht, BIM ist derzeit noch nicht im Straßen- und Tiefbau anwendbar, aus mehreren Gründen falsch. Erstens lassen sich aufgrund der langen Historie der Digitalisierung im Straßen- und Tiefbau schon heute viele Daten in ausreichender und guter Qualität mit etablierten Schnittstellen-Formaten wie REB, ISYBAU oder LandXML austauschen. Eine IFC roads – Schnittstelle ist somit nicht zwingend notwendig, um mit der Anwendung von BIM bereits heute zu beginnen.

Zweitens wird IFC und die damit verbundenen Möglichkeiten meines Erachtens falsch eingeschätzt, wenn man die Nutzung ausschließlich auf den Hochbau begrenzt. Um diese Aussage zu manifestieren, erläutere ich im folgenden das Prinzip von IFC.

Wie funktioniert IFC

Grundprinzip des Datenaustausch-Formates IFC ist, dass Teilobjekte von Baumaßnahmen in der Regel nicht statisch, sondern über veränderbare Parameter beschrieben werden. Als Beispiel hierfür eignet sich bestens die Betrachtung des im Hochbau üblichen Objektes Wand.

Mit dem Format IFC werden nicht die Wand-Ecken als Koordinaten übergeben, sondern ein Grundriß-Polygon. Diese geometrische Form lässt sich in der Länge und Dicke leicht ändern, genauso lässt sich der Parameter Höhe anpassen. Nach der Datenübergabe wird im Zielsystem aus dem Einfügepunkt und dem Einfügewinkel zusammen mit den Parametern Länge, Dicke und Höhe wieder ein konkretes 3D-Modell erstellt.

Diese Vorgehensweise hat den Charme, dass Anwender mit abweichenden CAD-Systemen Objekte viel leichter ändern können, weil die Objekte nicht über feste Koordinaten gespeichert sind. Auch nachträglich können Parameter leicht angepasst und somit die Geometrie des geplanten Bauwerks verändert werden. Auf den ersten Blick wirkt das aus meiner Sicht sehr intelligent und ist bei nachträglichen Planungsänderungen ohne Frage ein großer Vorteil.

Gefahren bei der Nutzung von IFC

Das beschriebene Prinzip der Parametrisierung bei der Datenübergabe via IFC hat jedoch einige ganz entscheidende Nachteile. Wenn das Zielsystem die Parameter anders interpretiert als das Quellsystem, kann es zu schweren Fehlern führen. Geometrien und auch Mengen können sich verändern. Zudem ist es oft gar nicht notwendig oder auch nicht gewollt, dass ein Planungspartner Daten von Teilobjekten ändern kann. Das Gefahrenpotenzial ist somit groß und deshalb erinnert mich die Herausgabe eines parametrisierten Modells an die Überlassung eines Blanko-Schecks.

Um meine Aussagen zu unterstreichen, hier ein Beispiel aus dem Hochbau. Man stelle sich vor, ein TGA-Planer ändert die Höhe eines Unterzugs, um seine Leitungen eleganter zu führen. Und das ohne Rücksicht auf die Tatsache, dass ein Statiker in dem Unterzug bereits eine sensibel berechnete Bewehrung platziert hat. Diese Szene ist zugegebenermaßen konstruiert, weil TGA-Planer nur ihre Fach-Modelle zurückliefern und nicht die Rohbau-Modelle, aber sie verdeutlicht das Problem.

Vorteile von Proxy-Objekte im IFC

Die bisher gemachten Aussagen zeigen: Oft ist ein statisches Modell besser geeignet als ein parametrisiertes. Nun wäre es falsch zu vermuten, dass somit das IFC-Format ausscheidet. Vielmehr gibt es auch bei IFC die passende Anwendung, nämlich die Nutzung von Proxy-Objekten.

Um ein größeres Verständnis für die Entwicklung dieser Anwendung zu erlangen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Die Programmierer von IFC waren sich darüber im klaren, dass nicht alle Bauteile in Standardklassen wie zum Beispiel Wand, Decke oder Stütze einzuteilen sind. Und so entwickelten sie – vielleicht sogar als eine Art Notlösung – die Proxy-Objekte, die man auch als „Platzhalterobjekte“ verstehen kann. Es kann sein, dass genau diese Bezeichnung immer noch dazu führt, dass die Möglichkeiten von Proxy-Objekten unterschätzt werden. Denn ein Platzhalterobjekt im Sinn von etwas Minderwertigem könnte aus Sicht mancher Nutzer die Assoziation hervorrufen, dass dabei Objekte in ihrer Geometrie stark reduziert werden.

Auch hier ist es sinnvoll, mit Hilfe von Beispielen das Thema besser zu durchdringen: Wenn in einer Planung eine Straßenlampe lediglich als Punkt oder kleiner Zylinder repräsentiert wird, ist das sicherlich ein Platzhalter im ursprünglichen Sinn. Allerdings ermöglichen es IFC-Proxy-Objekte, eine vollständige geometrische Beschreibung des Körpers zu übergeben. Sie sind daher keine Platzhalter im strengen Sinn. Denn Anwender können in IFC ein Proxy-Objekt optisch und geometrisch korrekt durch dreidimensionale Punkte und Dreiecke beschreiben.

Nutzung von Proxy-Objekten im Tiefbau

Die Möglichkeit, Proxy-Objekte in IFC optisch und geometrisch korrekt durch dreidimensionale Punkte und Dreiecke zu beschreiben, kommt Straßen- und Tiefbauern sofort bekannt vor. Denn Punkte und Dreiecke bezeichnen, neben Bruchlinien, ein Digitales Geländemodell (DGM). Die Schlussfolgerung lautet demnach: Ein Proxy-Objekt kann ohne weiteres ein DGM beschreiben. Genauso kann ein Volumenkörper dargestellt werden, der gedanklich aus zwei DGM (Topf und Deckel) besteht. Übrigens: Die nahezu komplette Welt der Computer-Spiele und Animationen ist so aufgebaut. Lara Croft, Protagonistin der Video- und Computerspiel-Serie Tomb Raider und auch gefährlich aussehende Flugdrachen sind datentechnisch nichts anderes als räumlich gekrümmte, geschlossene DGM.

Daraus ergibt sich eine sehr wichtige Erkenntnis: Es ist schon lange möglich, beliebige Tiefbau-Objekte über Dreiecke und somit mit statischer Geometrie zu beschreiben und via IFC auszutauschen. Diese Objekte können beliebige Attribute besitzen, wie andere IFC-Klassen auch. Wenn die dynamische Veränderbarkeit der Objekte keine oder oder nur eine geringe Rolle spielt, sind diese Platzhalter demnach vollwertige BIM-Objekte.

Frank Kocher

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