Offener BIM-Datenaustausch in der Ausführungsphase

Offener BIM-Datenaustausch in der Ausführungsphase

​Heute ist allen an Bauprozessen Beteiligten klar, dass Building Information Modeling (BIM) nur einen Mehrwert im Bauwesen bietet, wenn über offene und normierte Schnittstellen ein reibungsloser Datenaustausch möglich ist. Dieser Aspekt wird aktuell in der Fachwelt unter dem Begriff open BIM-Workflow diskutiert. In dem Zusammenhang finde ich die Frage besonders spannend, wie sich im Straßen- und Tiefbau die Phasen Planung sowie Ausführung bei der Nutzung von Modellen unterscheiden.

Vertikaler Datenaustausch in der Planungsphase

Im Straßen- und Tiefbau ist – ähnlich wie im Hochbau – in der Planungsphase ein von mir als „vertikaler Datenaustausch“ bezeichneter Austausch zwischen verschiedenen Fachplanenden notwendig. Im Hochbau ist dies nahezu immer ein Wechselspiel zwischen Architekten, technischen Gebäudeausrüstern (TGA) sowie Tragwerksplanenden. Ein solcher Austausch ist im Straßen- und Tiefbau nur dann notwendig, wenn Ingenieurbauwerke zu planen sind.

Sind bei einer Infrastrukturmaßnahme Ingenieurbauwerke vorgesehen, werden von Straßenplanenden die Trassen entworfen. Diese Daten werden dann an Tragwerksplanende übergeben, die Ingenieurbauwerke wie Brücken, Stützwände oder Tunnel ergänzen. Die so entstandenen Modelle müssen dann wieder zusammengeführt werden, weil zum Beispiel die Straßenplanenden die Dammschüttungen an die von den Tragwerksplanenden entworfenen Widerlager anpassen müssen.

Im Umfeld kommunaler Auftraggeber gibt es oft kleinere und vor allem viele Bauprojekte, bei denen keine Ingenieurbauwerke zu errichten sind. Hier zeigt meine Erfahrung, dass die Planung dieser Maßnahmen oft in einer Hand – das heißt bei einem Planungsbüro – liegt. Ziel ist es dann, dass schlussendlich ein vollständiges Modell erzeugt wird, welches als Planungsmodell in die Ausführungsphase übergeben wird.

Horizontaler Datenaustausch in der Ausführungsphase

​Abgesehen von Sonderfällen – wie der Bildung von Arbeitsgemeinschaften oder der Vergabe von Teilleistungen an Subunternehmer – werden diese kleineren Infrastrukturprojekte von einer einzigen Baufirma ausgeführt. Auf den ersten Blick beschränkt sich hierbei der Datenaustausch auf zwei Schnittstellen und ist „horizontal“: Zu Beginn erhält das ausführende Bauunternehmen das Planungsmodell und gibt nach Fertigstellung der Maßnahme das as-built-Modell – angereichert mit Daten gemäß der Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) – an den Auftraggeber.

Vertikale Prozesse bei Bestellung und Abrechnung

​Auch wenn die bereits dargestellte Vereinfachung zunächst schlüssig erscheint: Auch bei kleinen Straßen- und Tiefbauprojekten ohne Ingenieurbauwerke laufen „vertikale Prozesse“ ohne Modelle ab, für die ein Datenaustausch zwingend notwendig ist.

Bild Datenfluss
​Im Folgenden werde ich auf zwei sehr wichtige Prozesse während des Bauablaufes eingehen, die Bestellung und die Abrechnung. Während die Kalkulation sowie die Arbeitsvorbereitung in der Regel interne Prozesse der ausführenden Firma sind, ist bei der Materialbestellung und der Bauabrechnung ein Datenaustausch mit Produktanbietern, sowie den Auftraggebern bzw. der Bauaufsicht notwendig.

​Zunächst gehe ich auf die Abrechnung ein, weil sich hier ein klares Bild ergibt, wie modellbasiert abgerechnet werden kann. Versendet das ausführende Unternehmen in Zukunft eine Abschlagsrechnung, wird über das Standardformat IFC ergänzend ein as-built-Modell übergeben, welches ausschließlich die fertig gestellte Geometrie (Teilmodell) enthält. Das Teilmodell benötigt noch nicht alle Attribute nach den AIA – zum Beispiel für die sich anschließende Bewirtschaftung des Infrastrukturbauwerkes. Jedoch muss das Teilmodell ausgewählte Attribute enthalten, die für die Prüfung der Abschlagsrechnung notwendig sind. Dazu gehören zum Beispiel Ordnungszahlen aus dem Leistungsverzeichnis, sowie Ergebnisse pro Position.

Zu diesem Punkt, der Lieferung von Teilmodellen im Zusammenhang mit der Erstellung von Abschlagsrechnungen, gehen gemäß meiner Erfahrung die Meinungen in der Fachwelt noch auseinander, wie zukünftig gearbeitet werden soll. Viele sagen, dass Abschlagsrechnungen anhand des Planungsmodells gestellt werden können und die Korrekturen gemäß as-built-Modell erst bei der Erstellung der Schlussrechnung vorzunehmen sind. Die Praxis zeigt, dass diese Arbeitsweise in der Regel genau genug ist. Andere Bauverantwortliche sprechen sich jedoch für die Arbeitsweise mit Teilmodellen aus. Welcher Weg bei der Abwicklung einer Baumaßnahme beschritten wird, hängt vor allem von den internen Abläufen innerhalb der Baufirma sowie den Wünschen der Auftraggeber und dem sich daraus ergebendem Vertragsmodell ab.

​Im Prozess der Abrechnung wird zusätzlich immer eine GAEB-Datei benötigt, um die exakte Ermittlung der Mengen zu begründen. Modell und GAEB-Datei sollten in einem Multi-Modell-Container übergeben werden. Leider fehlen derzeit in der GAEB X31-Datei noch die Möglichkeiten, die einzelnen Mengenansätze automatisiert dem Modell zuzuordnen. Eine teilautomatisierte Rechnungsprüfung ist dennoch möglich, wenn Prüfende die Ergebnisse aus ihrer numerischen Prüfung der X31-Datei mit den Ergebnissen in der attribuierten IFC-Datei vergleichen.

Bild: Modell mit Attributen

Bestellprozess braucht den Datenaustausch

​Wesentlich differenzierter ist der Bestellprozess innerhalb der Bauabwicklung zu betrachten. Ich bin der festen Überzeugung, dass es überaus sinnvoll ist, den Materialbedarf einer Baustelle aus dem Modell zu ermitteln. So kann exakt bestellt werden und es entsteht weder Stillstand auf der Baustelle wegen Materialmangel, noch muss schlussendlich Verschwendung durch zu viel bestelltes Material konstatiert werden.

​In der Kommunikation nach außen während des Bestellprozesses wird in den meisten Fällen kein Modell ausgetauscht. Bauleitende ermitteln zum Beispiel aus dem Modell heraus die Asphaltmenge für den Einbau am nächsten Tag und bestellen diese Quantität per Telefon oder E-Mail. Die Mitarbeitenden des Asphaltwerkes sind am 3D-Modell nicht interessiert. Der dargestellte Ablauf gilt letztlich für die Bestellung alle Schüttgüter. Ähnlich verhält es sich bei standardisierten Artikeln wie Bordsteinen und Schachtringen. Diese werden gemäß Katalog-Angaben und entsprechend der benötigten Anzahl bestellt.

​Eingehen möchte ich auch auf Objekte, bei denen eine Mischform vorliegt. Dazu gehören zum Beispiel Schachtunterteile aus Beton. Sie müssen individuell für jeden Schacht gefertigt werden. Auch hier macht es keinen Sinn, wenn Baufirmen den Betonwerken detaillierte 3D-Modelle übergeben. Denn pro Schachtunterteil genügt die Weiterleitung weniger Parameter wie Anzahl und Durchmesser der angeschlossenen Leitungen, deren Material, abgehenden Winkel und möglicher Sohlsprünge. Der beschriebenen Prozess ist bereits seit vielen Jahren etabliert, aber noch immer nicht durchgängig digitalisiert. Aktuell übergeben Baufirmen den Betonwerken sogenannten Schachtuhren, die manuell oder mit der im Betrieb vorhandenen Kanalsoftware als PDF-Dateien erstellt werden.

Bild Schachtuhr
​Es gibt Ansätze zur Optimierung dieses Bestellprozesses, zu finden zum Beispiel auf der Plattform www.schacht24.de. Aber auch dort gibt es derzeit einen Medienbruch, weil Daten per Hand eingegeben werden müssen. Ideal wäre hier meiner Meinung nach ein genormtes Datenaustausch-Format für die genannten Parameter eines Schachunterteils.
Ein Sonderfall stellen große polygonale Schächte dar. Sie werden heute auch oft als Fertigteil geliefert. Hier wäre es sinnvoll, wenn das Betonwerk aus seiner internen CAD-Planung des Bauwerks ein 3D-Modell an die Baufirma übergibt. Diese wäre in der Lage, das Modell in das as-built-Modell einzupflegen

Sinnvolle Übergabe von Modellen

​Es gibt noch eine weitere Option, bei der die Übergabe von Modellen tatsächlich praktikabel und vorteilhaft ist: bei der Vergabe einer Subunternehmer-Leistung. Wird zum Beispiel die Errichtung eines Ingenieurbauwerkes an eine externe Firma vergeben, muss das zu bauenden Modell ausgetauscht werden. Dabei handelt es sich im Normalfall schlicht um die Weitergabe des Planungsmodells.

Zusammenfassung

​Mein Fachartikel zeigt, dass sich die Arbeit mit Modellen im Wesentlichen auf die internen Prozesse von Baufirmen wie Kalkulation oder Arbeitsvorbereitung beziehen. Kontaktstellen über das Modell nach Außen sind – anders als im Planungsprozess – sehr überschaubar.

​Es gibt eine Forderung zur Optimierung der Gesamtbauprozesse, die bereits seit Jahren formuliert ist. Wünschenswert – vor allem aus Sicht der ausführenden Unternehmen – ist ein verbessertes Planungsmodell, welches die Praxisanforderungen im Bauprozess berücksichtigt. Die Branche benötigt neben den AIA auch verbindlich geregelte AnIA, also Auftragnehmer-Informations-Anforderungen. Insbesondere sollte dabei Augenmerk auf die exakte Geometrie gelegt werden als auch auf brauchbare georeferenzierte Informationen über den Leitungsbestand in Planungsmodellen.

​In folgenden Veröffentlichungen können Interessierte diese Forderungen im Detail nachlesen, die ich voll und ganz unterstütze:

Datenaustausch Pilotprojekt Remchingen
Digitalisierung erfordert offenen Datenaustausch

Frank Kocher

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