Modellbasiertes Arbeiten im Bauprozess

Modellbasiertes Arbeiten im Bauprozess

Wie in meinem letzten Blogbeitrag https://bim-tiefbau.de/category/startseite/kann-man-der-modellbasierten-abrechnung-trauen/ dargestellt, könnte im Bauwesen die Bauabrechnung über Modelle deutlich vereinfacht werden, wenn der BIM-Prozess wie in der Theorie angenommen von der Planung bis zur Übergabe des as-built-Modells inklusive Rechnung funktionieren würde.

In meinem Text habe ich jedoch auch dargelegt, dass das eigentlich erwünschte durchgehende BIM-Verfahren schon daran scheitert, dass selbst beim Vorhandensein von Planungs-Modellen diese oft nicht für die Ausführung geeignet sind. Schuld an dieser Situation sind in den allermeisten Fällen jedoch nicht die Planenden. Die Problemstellung entsteht durch zu geringe Honorare für die Planungsleistungen sowie falsche Rahmenbedingungen. Dazu gehört insbesondere die heutige Vergabepraxis mit Beauftragung des Mindestbietenden.

Herausforderung Ausführungsplanung

Ein wesentlicher ‚Knackpunkt‘ bei der Einführung vom modellbasierten Arbeiten im Bauwesen ist die Ausführungsplanung gemäß Leistungsphase 5 nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Hierauf muss jetzt ein verstärktes Augenmerk gerichtet werden, damit der Einsatz von BIM erfolgen kann.
Was sind die Besonderheiten der Ausführungsplanung? Im Wesentlichen beschränkte sich diese Stufe der Planung auf eine höhere Genauigkeit im Detail.

Beispielsweise im Straßenbau geht es in der Ausführungsplanung um die Erstellung von korrekten Deckenhöhenplänen in Einmündungen, damit das Oberflächenwasser nach Abschluss der Baumaßnahme in die Regeneinläufe läuft und das Geplante auch grundsätzlich ausführbar ist. Diese Prämissen sind jedoch nicht ausreichend für ein korrektes 3D-Modell.

Grenzen der Ausführungsplanung

Ich muss folgendes anmerken: Eine tatsächliche Ausführungsplanung, die den eigentlichen Bauprozess und damit auch die Bauablaufplanung berücksichtigt, können Planende im Detail gar nicht erbringen. Das liegt unter anderem daran, weil je nach Auftragnehmer und dessen Kenntnissen sowie den Fahrzeugen seines Maschinenparks andere Verfahren und Baureihenfolgen zum Zuge kommen, als Planende es erwarten.

Ich erläutere das an einem Beispiel: Beschäftigen wir uns mit der Haltungslänge im Kanalbau. Auch bei einer willentlich exakten Ausführungsplanung platzieren Planende die Schächte maximal unter Kenntnis bekannter Versorgungsleitungen und dem Vorhandensein von seitlichen Zuläufen. Die Haltungslängen ergeben sich dann daraus.

Wie sieht es jedoch in der Praxis aus? Vor Ort auf den Baustellen wird fast jeder Schacht anders gesetzt, als er geplant wurde. Denn es ergibt keinen Sinn und ist zudem Ressourcenverschwendung, wenn ein Rohr geschnitten wird, nur um blind gehorsam geplante Maße einzuhalten. Tiefbauer wissen: Optimale Haltungslängen sind von den Lieferlängen der Rohre abhängig und zudem von der Frage, ob für Hausanschlüsse Anbohrstutzen oder Abzweige verwendet werden. Abzweige haben in aller Regel eine andere Länge als ein Standardrohr.

Soll vor Ort nicht geschnitten werden, ergeben sich die optimalen Haltungslängen aus den Schachtdurchmessern, der Länge der Gelenkstücke, der Länge der zu verwendeten Abzweige und der Anzahl der normalen Rohre. Arbeiten ausführende Baufirmen so und haben dabei das Ziel, Rohre nicht zu schneiden, weichen tatsächliche Längen der Haltung meist in der Größenordnung einer Standard-Rohrlänge von der Planung ab.

Es gibt einen weiteren Aspekt. Arbeitet das Kanalbauunternehmen mit einer GNSS-Maschinensteuerung, muss die Grabengeometrie bereits in der Arbeitsvorbereitung und damit vor Baubeginn durch die Firma festgelegt werden. Denn bei ungeplanten Verschiebungen von Schächten vor Ort stimmt anschließend die Lage der Grabenmodelle der Folgehaltungen nicht mehr.

Diese Beispiele zeigen, warum nur der Auftragnehmer ein korrektes Ausführungsmodell erstellen kann. Die Kunden meines Softwarehauses isl-kocher arbeiten genau so und sind damit uneingeschränkt marktfähig. Denn die in Eigenregie und mit der geeigneten Software erstellten Ausführungsmodelle passen zum individuellen Vorgehen und den spezifischen Arbeitsverfahren der Baufirmen.

Fertige Modelle sind kontraproduktiv

Wichtig für die Bauunternehmen – und das habe bereits mehrfach in meinem Blog erläutert – ist im Straßen- und Tiefbau nicht, dass sie fertige Modelle von den Planenden erhalten. Viel besser ist die Übergabe geeigneter und korrekter Parameter zur Neuerstellung von Modellen. Im Straßenbau sind diese Kennwerte im optimalen Fall 3D-Linien der Fahrbahnränder sowie Regelquerschnitte. Mit den Angaben können Baufirmen schnell und sicher eigene Modelle erstellen, auf die betriebsinterne Prozesse aufgebaut werden. Im Kanalbau ist die ideale Übergabeform eine ISYBAU-Datei.

In gewisser Weise plädiere ich mit meinen Ausführungen für einen Bruch im BIM-Gedanken, der aber aus meiner Sicht sinnvoll ist. Jedoch gebe ich bedenken: Wenn das Modell im Zeitraum zwischen Planung und Ausführungsphase bewusst geändert wird, muss auch der Prozess der modellbasierten Abrechnung neu gedacht werden.

Ein Blick nach vorn

Wie unter den oben genannten Voraussetzungen künftig im Bauwesen gearbeitet wird, hängt auch davon ab, ob die in meinen Augen unsägliche Vergabe an den preiswertesten Bieter beibehalten wird. Oder ob zeitnah bei der öffentlichen Bauvergabe auf die viel beschworene Kollaboration umgeschwenkt wird. Unter der Annahme, dass es bei der bisherigen Vergabepraxis bleibt, ist folgendes Vorgehen denkbar:

In der Planungsphase einer Baumaßnahme wird eine korrekte Geometrie unter Einhaltung der Entwurfsrichtlinien erstellt. Daraus kann zur Visualisierung und Mengenermittlung in der Ausschreibung ein Modell erstellt werden, welches aber nicht zwingend für die Ausführung verwendet werden muss.

Die ausführende Baufirma bekommt Daten, die das Bauwerk geometrisch eindeutig beschreiben und eine schnelle Neumodellierung ermöglichen. Die Verantwortung für die geometrische Eindeutigkeit darf dabei jedoch nicht auf den Auftragnehmer geschoben werden. In den Richtlinien wie der VOB muss zukünftig formuliert sein, dass Bauunternehmen das Recht haben, die genannten Daten vor Baubeginn einzufordern.

Die Baufirma modelliert mit diesen Daten neu und nutzt das entstandene Modell für seine internen Prozesse wie Arbeitsvorbereitung, Materialbestellung und Abrechnung. Optimal wäre es, gemeinsam mit Auftraggeber und Planer dieses Modell zu prüfen und es als Vertragsmodell zu vereinbaren. Sollten sich nicht aufgrund unvorhergesehener Zwänge Änderungen ergeben, wäre das Vertragsmodell die Grundlage für die Schlussrechnung.

Modellbasierte Abrechnung

Geht es um die reine Berechnung der Mengen, ist eine Antwort, wie vorzugehen ist, schnell gefunden. Die Formeln der REB VB 23.003 sind hervorragend geeignet, auch Mengen aus Modellen abzubilden. Die Formel 4 mit Länge x Breite x Höhe beschreibt einen Quader wie zum Beispiel eine Wand. Andere Objekte, wie flächenhafte Objekte, lassen sich in Grundkörper wie Rechtecke, Dreiecke und Kreisbogenabschnitte mit Dicken zerlegen.

Lediglich eine Formel für das Volumen von Freiform-Körpern gemäß der Gaußschen Summenformel fehlt bei Berechnung von Mengen aus Modellen. Heute muss man deshalb noch einen Umweg gehen und das Volumen von Freiformkörpern über das Prismenverfahren nach REB VB 21.013 nachweisen.

Abschließend ist zu prüfen, ob das abgerechnete Modell mit den genannten Rechenansätzen tatsächlich mit der Realität übereinstimmt.

Moderne Prüfverfahren einsetzen
Wie bereits in meinem letzten Blog-Beitrag dargestellt, ist der Vergleich von Modellen mit der Realität mit modernen Verfahren wie Augmented Reality (AR) oder dem Modellvergleich möglich. Bei der Nutzung von AR betrachtet man die wahre Welt überlagert mit dem Modell, um Unterschiede zu erkennen.

Die Prüfung von Modellen kann aber auch im Büro stattfinden. Denn wenn das klassische örtliche Aufmaß durch einen Scan ersetzt wird, besteht die Möglichkeit, bequem im Büro die Punktwolke mit dem Modell vergleichen und eventuell vorhandene Unterschiede werden aufgedeckt.

Jedoch gebe ich zu bedenken: Solange die numerische Abrechnung über die REB-Verfahren noch in getrennter Software erfolgt, muss es auch Prüfmöglichkeiten geben, Eingangswerte wie Länge und Breite im Modell zu prüfen. Werden Modelle allerdings in eine 3D-PDF-Datei überführt, haben Anwender schon heute die Möglichkeit, mit der frei verfügbaren Software Acrobat-Reader diese Maße zu prüfen.

Frank Kocher

Comments are closed.