Keine Scheu vor der „BIM-Sprache“

Keine Scheu vor der „BIM-Sprache“

Vielleicht kennt der eine oder andere das Lied „MfG“ der Stuttgarter Gruppe „Die Fantastischen Vier“. Dort heißt es nach wenigen Zeilen: „ARD, ZDF, C&A – BRD, DDR und USA – BSE, HIV und DRK“. An dieses Musikstück muss ich manchmal denken, wenn ich Veröffentlichungen lese oder Vorträgen zuhöre, die das Thema BIM zum Inhalt haben. Denn auch dort wimmelt es von Anglizismen und Abkürzungen. Nur heißen diese BAP, AIA, LOD und so weiter.

Wenn Neues entsteht – wie zum Beispiel bei der Nutzung vom BIM in der Praxis – braucht die Fachwelt neue Begriffe. Mit diesen Wortschöpfungen soll das Neuartige erklärt und strukturiert werden. Ich verstehe und akzeptiere diese Gründe und möchte die zeitgenössischen Abkürzungen deshalb nicht grundsätzlich kritisieren. Zumal sie auch dabei helfen können, Abläufe im Arbeitsfeld BIM zu durchdenken und strukturiert zu planen.

Gut gemeint und doch verkompliziert

Meist werden die neuen Begriffe auf BIM-Kongressen kurz erläutert. Und doch schaue ich immer wieder in viele fragende und skeptische Gesichter der Anwesenden. Auch wenn ich unterstelle, dass die „Erfinder“ der Wortschöpfungen und damit auch der Abkürzungen es gut meinen, habe ich zunehmend folgenden Eindruck: Der „BIM-Slang“ hindert die Einführung von BIM – gerade im öffentlichen Auftraggeber-Umfeld. Dabei wäre eine Förderung doch dringend notwendig. Ohne bösen Willen wird so das Thema verkompliziert.

Im Positionspapier des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie vom Juni 2019 mit dem Titel „BIM im Straßenbau“ wird zu Recht gefordert, dass man mit BIM unbedingt und gern sofort starten sollte. Gleichzeitig heißt es dort, dass die Beteiligten nicht zu überfordern sind und dass es im Straßen- und Tiefbau noch ganz andere Defizite gibt, die zunächst zu beseitigen sind. Diesen Aussagen stimme ich voll und ganz zu und möchte jetzt die wichtigsten der neuen Begriffe erläutern und gleichzeitig prüfen, inwieweit diese bei BIM-Projekten im kommunalen Straßen- und Tiefbau relevant sind.

BAP (BIM-Projektabwicklungsplan)

Im BAP sollen alle wichtigen Informationen – wie die Ziele des Projektes, organisatorische Strukturen, Verantwortlichkeiten, Schnittstellen, die gewünschte Attribute und der erforderliche Detaillierungsgrad der Modelle – festgelegt werden. Das ist selbstverständlich eine gute Idee, denn nur mit solchen Vorgaben kann ein Projekt gelingen.

Auf der anderen Seite sind genau diese Abläufe und Anforderungen in der VOB und anderen bereits bekannten Dokumenten geregelt und werden im Bereich der öffentlichen Vergabe schon seit Jahren mit zusätzlichen Vorbemerkungen der Kommune in Rahmen der Ausschreibungen ergänzt.

Aus meiner Sicht macht ein BAP dennoch durchaus Sinn. Denn es können die Unterschiede zur bisherigen Arbeitsweise herausgearbeitet werden. Und für den Normalfall eines kommunalen Projektes kann ein solcher BAP allerdings auch standardisiert werden.

AIA (Auftraggeberinformationsanforderungen)

Die AIA beschreiben die projektspezifischen Anforderungen des Auftraggebers an Informationen und Schnittstellen für die digitale Projektabwicklung. Auch das ist, zumindest im Kanalbau, nichts Neues. Während im Straßenbau bislang meist nur ein Bestandsplan gefordert wurde, ist es bei Kanalbaumaßnahmen schon lange Standard, dass ausführende Firmen nach Abschluss der Arbeiten digitales Material über den Bestand und Bauzustand der Leitungen als ISYBAU- Dateien und als Videos (Kanalbefahrungen) liefern. Außerdem gehören auch die bislang geforderten Unterlagen über Qualitätsnachweise wie Proben, Lastplattendruckversuche oder Rohr-Statiken zu den AIA.

Sicherlich wird sich in den genannten Arbeitsfeldern durch BIM etwas ändern, aber es ist nichts Neues und kann insbesondere für Kanalbauprojekte weitgehend standardisiert werden.

LOD (Entwicklungsstand)

LOD beschreibt etwas wirklich Neues im Bauwesen. Wobei der Begriff nur Sinn macht, wenn tatsächlich mit einem Modell gearbeitet wird. Allerdings wird die Abkürzung LOD in BIM-Zusammenhängen nicht einheitlich verwendet. In der Literatur finden sich zwei verschiedene Erläuterungen: „Level of Details“ und „Level of Development“.

„Level of Details“ beschreibt den geometrischen Detaillierungsgrad eines Modells. So wird beispielsweise unterschieden, ob man eine Kanalhaltung nur als dreidimensionale Linie, als Rohr mit Wandung oder gar als einzelne Rohre mit Muffe im Modell darstellt. Der Begriff „Level of Development“ hingegen bedeutet übersetzt „Entwicklungsstand“ und umfasst mehr als „Level of Details“. Denn hier fließt neben dem geometrischen Detaillierungsgrad auch der Informationsgehalt ein.

Ein Beispiel dazu aus der Praxis: Kanalplaner interessiert aus hydraulischer Sicht nur der Durchmesser einer Haltung. Welches Rohr-Material in welchen Baulängen und Wandstärken zur Ausführung kommt, wird erst später von anderen Beteiligten entschieden. Übertragen auf BIM-Anwendungen bedeutet das: Das Modell entwickelt sich weiter, der LOD steigt im Laufe der Projektphasen an.

Aber auch das Anwachsen der Informationen ist nichts Neues im Bauwesen. Allerdings waren bis dato diese Merkmale in der analogen oder halbdigitalen Welt in verschiedenen Dokumenten verteilt. Künftig sollen alle Informationen im Modell hinterlegt werden – und das Modell wird sukzessive mit Informationen angereichert.

Jedoch gehen auch bewusst Informationen wieder verloren, die für weitere Projektschritte nicht relevant sind oder geheim gehalten werden sollen. So wird beispielsweise nach einer Preisanfrage im Betonwerk, die direkt aus dem Kanalmodul meiner Bausoftware isl-baustellenmanger gestartet wird, im Modell am Bauteil der Einkaufspreis des Schachtbauteils sowie das Lieferdatum für die Baustelle hinterlegt. Diese für den internen Bauablauf des ausführenden Unternehmens notwendigen Informationen werden selbstverständlich nicht weitergegeben. Denn das Lieferdatum des Schachtbauteils ist nach dem Einbau nicht mehr relevant. Und der Einkaufspreis soll dem Auftraggeber natürlich nicht bekannt gegeben werden.

Mein Fazit

Aus meiner Sicht ist es sinnvoll und ausreichend, für Projekte im kommunalen Straßen- und Tiefbau Standard-BAP und Standard-AIA zu definieren. Diese können dann bei Bedarf und je nach Projekt – wie es heute bereits mit den Technischen Vorbemerkungen geschieht – an BIM-Anforderungen angepasst ergänzt werden.

 

Frank Kocher

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