BIM – taugliche Datenformate für den Straßenbau
Im Bauwesen wird der Gedanke des Building Information Modeling (BIM) im Allgemeinen so verstanden, dass alle Anwender in den Phasen Planung und Ausführung bis zur Nutzung und zum Abriss eines Bauwerks mit ein und demselben Modell arbeiten.
Riesige 3D-Planungsmodelle sind nicht nutzbar!
Im Straßenbau lässt sich diese Theorie jedoch nicht in die Praxis umsetzen. Sollen zum Beispiel 100 Kilometer Autobahn neu gebaut werden, kann die ausführende Baufirma das vom Planer zur Verfügung gestellte 100 Kilometer lange 3D-Planungsmodell der einzelnen Oberbauschichten bzw. die langen Teilstücke des Erdbaus unverändert nicht nutzen.
Wie wird in der Praxis gearbeitet? In aller Regel plant das Bauunternehmen die Bauabschnitte aufgrund seiner technischen Möglichkeiten und Erfahrungen sowie auf Basis der mit der Verkehrsbehörde vereinbarten Verkehrsführung vor Baubeginn. Und muss dabei auch die Arbeitsvorbereitung für diese Abschnitte leisten. Die ursprünglich zur Verfügung gestellten Modelle müssen also sowohl in Richtung der Stationierung als auch quer dazu in Abschnitte geteilt werden. Damit wird klar: Fertige 3D – Modelle (Volumenkörper) der gesamten Baumaßnahme können zwar bei der Kalkulation genutzt werden, sind aus Sicht der Bauablaufplanung und Materialbestellung jedoch in der Regel ohne Nutzen für den Auftragnehmer.
Daten für die Maschinensteuerung sind sehr komplex.
Auch wenn im Straßenbau die 4D-Planung von Baustellen – und das auch bei BIM zugewandten Firmen – noch am Anfang steht, ist seit rund 20 Jahren die satellitengestützte Maschinensteuerung in gut organisierten Unternehmen Teil des täglichen digitalen Bauprozesses. Wenn Daten für die Maschinensteuerung aufbereitet werden, muss noch kleinteiliger gearbeitet werden als bei der Aufteilung der Baumaßnahme in Abschnitte.
Denn die Bodenhorizonte aus der Planung – ob als Querprofile oder digitales Geländemodell (DGM) zur Verfügung gestellt – sind meistens für die Maschinensteuerung unbrauchbar. Erdbauhorizonte im Straßenbau bestehen aus Böschungen, Mulden und dem Planum. Da diese Körper von verschiedenen Maschinen, wie zum Beispiel Grader oder Bagger, gebaut werden, müssen die Horizonte für diese Tätigkeiten innerhalb der Bauabschnitte weiter „zerlegt“ werden. Auch diese Aufgabe müssen die Bauunternehmen meistern.
Planer sollten Geometrie des Bauwerkes festlegen
Trotz dieser Aufwände für die Ausführenden kann es auf der anderen Seite auch nicht Aufgabe der Planer sein, die Planungen nach den Erfordernissen der unterschiedlichen, am Markt befindlichen Maschinensteuerungen auszurichten. Planer sollten jedoch– und damit entgegen der gängigen Praxis – die Geometrie des zukünftigen Bauwerkes an jeder Stelle und für jeden Horizont exakt festlegen.
Das bedeutet, dass die Übergabe der Planung mit den Elementen Achsen, Gradienten und Querprofile – die sogenannten Drei-Tafel-Projektionen – heute nicht mehr ausreichen. Denn Querprofile werden aktuell in Abständen von 10 oder 20 Metern angelegt. Dazwischen bleibt die Geometrie des Bauwerkes jedoch Spekulation und muss vom ausführenden Unternehmen neu erzeugt werden. Deutlich besser wäre es, statt Querprofile schlüssige und zueinander passende digitale Geländemodelle für jeden Horizont an die Ausführenden zu übergeben. Auf diese Weise würden die Planer das Bauwerk an jeder Stelle im Raum korrekt beschreiben können.
3D-Linien besser als digitale Geländemodelle
Wie bereits dargestellt, müssen ausführende Unternehmen die von Planern zur Verfügung gestellten digitalen Geländemodelle zerlegen und anpassen. Doch wirft man einen genauen Blick auf die Situation, wird deutlich, dass Baufirmen eigentlich nur Modelle bestehend aus 3D-Linien benötigen, die alle wichtigen und markanten Geometrien eindeutig beschreiben. Baufirmen benötigen Drahtgitter-Modelle.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt ein überraschendes Ergebnis. Konstruktionsparameter wie in den Drahtgitter-Modellen gibt es bereits seit der IBM-Lochkarten-Zeit und den Regelungen für die elektronische Bauabrechnung (REB). 1979 wurde in den REB die Verfahrensbeschreibung 20.003 / Querprofilbestimmung aus Interpolationslinien veröffentlicht. In diesem Verfahren wird ein Bodenhorizont – damals häufig nur das Urgelände- nicht als DGM, sondern über 3D-Linien, die alle relevanten Knicklinien wie zum Beispiel Böschungskanten eindeutig beschreiben, abgebildet. Ziel des Verfahrens war es damals, aus dem Linienmodell entlang einer Achse Querprofile zu interpolieren.
Heute können Baufirmen solche Linien nutzen, um die für den Bauprozess benötigten Modelle als DGM für die Maschinensteuerung und die Volumenkörper für die Bauablaufplanung schnell und eindeutig zu erstellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die 3D-Linien über die Uralt-Lochkarten-Formate Datenart 45 (Punkte) / 48 (Linien) oder in einem modernen Format wie landXML, OKSTRA bzw. künftig international mit IFC-Roads übergeben werden.
Vorteile von 3D-Linien
Warum sind 3D-Linien besser als die heute schon regelmäßig ausgetauschten digitalen Geländemodelle? Bei der Beantwortung dieser Frage müssen technische Details angesprochen werden. Digitale Geländemodelle werden sehr häufig ohne die Zwangslinien, auch als Bruchkanten bezeichnet, übergeben. Bleiben die Horizonte, wie zum Beispiel bei der Prüfung nach dem Prismenverfahren (VB 22.013) unverändert, ist das unschädlich. Wird jedoch ein DGM neu aufgeteilt, muss die so genannte Delaunay-Vermaschung neu gebildet werden. Dabei handelt es sich um ein gebräuchliches Verfahren, um aus einer Punktemenge ein Dreiecksnetz zu erstellen. Wird das ohne die 3D-Zwangslinien gemacht, kommt jedoch ein nach dem Zufallsprinzip von der Höhenlage völlig anderes, falsches Modell heraus.
Damit wird klar: Ein digitales Geländemodell ohne Bruchkanten beschreibt zwar in seiner Urform ein Bauwerk eindeutig, ist jedoch zur Aufteilung in Abschnitte nicht geeignet. Stehen dagegen 3D-Zwangslinien zur Verfügung, genügen bereits diese zur eindeutigen Beschreibung und Bildung neuer Teil- Modelle.
Ausblick auf die Zusammenarbeit Planende-Ausführende
Heute sollte kein Planer das Argument vorbringen, dass das zukünftige internationale Datenaustauschformat IFC-Roads noch keine finale Praxisreife hat und daher eine digitale Übergabe unmöglich ist. Denn bereits seit knapp 40 Jahren ist in Deutschland mit Lochkarten-Formaten eine eindeutige 3D-Beschreibung von Straßenmodellen möglich. Diese Modelle können leicht übergeben werden und werden von Baufirmen mit geeigneter Software schnell und eindeutig zu den benötigten baubetrieblichen Modellen weiterverarbeitet.
Der internationale IFC-Standard ist selbstverständlich erstrebenswert, aber bei rein innerdeutschen Projekten muss nicht darauf gewartet werden. Reibungen zwischen Planer und ausführenden Unternehmen aufgrund einer nicht funktionierenden Modell-Übergabe liegen demnach nicht an fehlenden Datenaustausch-Formaten, sondern häufig an der nicht ausreichenden Planungsqualität.
In einem später folgenden Schritt der Zusammenarbeit wäre es für die betriebliche Kalkulation praktisch, fertige Körper vom Planer zu erhalten, auch wenn diese später im Baubetrieb so nicht brauchbar sind. Mit den bereits beschriebenen 3D-Linien und einer geeigneten Software sind diese Körper jedoch in der Übergangsphase von Baufirmen leicht zu erzeugen.
Ein wesentlicher Punkt von BIM ist auch, dass die Körper attributiert sind. Das bedeutet, dass die Körper ihre Eigenschaften wie Material, Bodenart oder Homogenbereich kennen. Diese Informationen können mit einem Drahtgittermodell natürlich nicht transportiert werden.
Für eine Optimierung der digitalen Prozesskette wäre dennoch die Übergabe der Planung als Drahtgittermodell ein großer Fortschritt gegenüber dem heutigen, unhaltbaren Zustand!
Frank Kocher