Unterschiede BIM Hoch-/Tiefbau

Unterschiede BIM Hoch-/Tiefbau

Ein Grundgedanke für die Anwendung von BIM ist, dass der Planer der ausführenden Baufirma ein 3D-Modell übergibt, welches genauso auch gebaut wird.

Im klassischen Hochbau mag diese These zumindest für den Rohbau zutreffen: Wird eine Ausführungsplanung passend zum genehmigten Bauantrag erstellt, so wird sich, vorbehaltlich von Planungsfehlern, die während der Bauzeit auffallen, das Modell des Rohbaus nicht mehr ändern.

Planungsfehler sollten mit der Nutzung von BIM jedoch auch seltener auftreten, da diese am 3D-Modell eher auffallen als in 2D Plänen.

Im Tiefbau, damit ist verkürzt gemeint der Straßen- Tief-, Erd- und Gala-Bau, ist die Situation anders, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Es gilt weiterhin der alte Spruch „Vor der Schippe ist es dunkel!“. Selbst wenn Bodengutachten auf Basis von Bohrprofilen vorliegen, was unbedingt notwendig ist, wenn im Erdbau der BIM-Gedanke ernst genommen wird, müssen Annahmen getroffen werden, wie zB. die Schichten zwischen den Bohrungen verlaufen.
  • In Kulturlandschaften und innerorts muss immer mit alten, nicht dokumentierten Leitungen oder gar auch mit archäologischen Funden gerechnet werden.
  • Im Kanalbau ist es nach aller Erfahrung so, dass der Planer Haltungslängen und die Lage von Anschlüssen festlegt, ohne auf die Rohrlängen und Rohrstöße zu achten. In der Regel werden jedoch keine Rohre geschnitten und das restliche Material weggeworfen, nur um exakt die geplante Haltungslänge einzuhalten, sondern der nächste Schacht wird leicht verschoben. Fällt ein Anschlusspunkt eines Hausanschlusses oder Straßenablaufs auf eine Muffe der Hauptleitung, wird dieser Punkt ebenso örtlich verschoben.
  • Im Straßenbau werden beim Bauen im Bestand häufig die Angleichungen von Nebenflächen wie Hauszufahrten nicht geplant, es kommt zu örtlichen Anpassungen

Das Bestandsmodell im Tiefbau nach Fertigstellung wird also in aller Regel von der Planung abweichen. Diese Tatsache spricht nicht dagegen, BIM im Tiefbau anzuwenden, sondern erfordert, zu überlegen, wie man damit umgeht.

Bei den Leitungen im Kanalbau ist es recht einfach: Übernimmt die Baufirma das zu bauende Netz über ISYBAU, können mit Hilfe eines geeigneten Systems z.B. die Schächte und die Lage der Anschlüsse während der Bauphase auf Basis der Vermessung geschoben und angepasst werden. So wird aus der Planung nach und nach das Bestandsmodell.

Im Erdbau, der indirekt bei allen anderen Gewerken enthalten ist, müssen die geplanten oder aus Annahmen ermittelten Bodenhorizonte durch Vermessung an den Ist-Zustand angepasst bzw. durch neue Horizonte ersetzt werden.

Am komplexesten ist die Situation im Straßen- bzw. auch Gleisbau: Alleine aufgrund der Tatsache, dass bei Infrastrukturprojekten in Bauabschnitten gearbeitet wird, die die Baufirma nach Auftragsvergabe plant und festgelegt, macht eine Erstellung von 3D Volumenkörpern in der Planungsphase nur bedingt Sinn, da diese zu den Bauabschnitten nicht passen. Bodenhorizonte wie das geplante Erdplanum sind für eine GNSS gestützte Maschinensteuerung in der Regel unbrauchbar und müssen neu modelliert werden, um den herstellerspezifischen Anforderungen der Maschinensteuerung gerecht zu werden.
Anders als bei beispielsweise den Haltungslängen und Lage der Schächte im Kanalbau wird von der Lage der geplanten Achse und Gradiente insbesondere aus haftungsrechtlichen Gründen und Aspekten des Grunderwerbs jedoch nicht abgewichen.

Aus diesen Gründen erscheint es im Infrastrukturbau sinnvoll, wenn der Planer dem Ausführer möglichst gute Ausgangsparameter übergibt, aus denen sich der Ausführer die benötigten 3D-Modelle in jeder Phase der Ausführung selbst erstellen kann:

  • 3D Modelle der Bauabschnitte passend zur 4D Bauablaufplanung
  • geeignete Bodenhorizonte für die Maschinensteuerung
  • Bestandsmodelle (as-built) nach Fertigstellung

Die gute Nachricht dabei: Sowohl im Straßen- als auch im Kanal- und Erdbau existieren alle für den digitalen Datenfluss notwendigen Schnittstellenformate. Siehe dazu gesonderten Beitrag.

Fazit: Im Straßen -und Tiefbau ist die Vorstellung von der Nutzung eines Planungs- Modells ohne Veränderung in der Ausführungsphase unrealistisch. Dabei bestehen auch noch große Unterschiede zwischen den Gewerken Erd-, Straßen- und Tiefbau. Dennoch bringt die Verwendung von Modellen auch diesen Gewerken große Vorteile gegenüber der heutigen Arbeitsweise!

Darüber hinaus muss man feststellen, dass eine Trennung von BIM Hoch- und Tiefbau eigentlich nicht haltbar ist:

  • Jedes Gebäude hat eine Baugrube gegebenenfalls mit verschiedenen Bodenschichten
  • Ein Gebäude ist angeschlossen an Ver- und Entsorgungsleitungen
  • Ingenieurbauwerke und Klärbecken gehören zum Tiefbau, besitzen aber auch Wände und Bodenplatten.