Hat ISYBAU noch eine Zukunft?

Hat ISYBAU noch eine Zukunft?

Seit Jahren muss ich schmunzeln, wenn Hochbauer behaupten, in Sachen BIM dem Tiefbau weit überlegen zu sein.
Bereits seit 1991 gibt es das ISYBAU – Format (Integriertes SYstem BAUwesen), mit dem sowohl die Geometrie als auch Sachinformationen für Objekte wie Schächte, Haltungen und Hausanschlüsse übertragen werden können. Seit nunmehr 28 Jahren steht also im Kanalbau eine Schnittstelle zur Verfügung, die vom Ansatz her IFC im Hochbau entspricht. Das Format wird genutzt, wenn auch noch nicht in voller Breite. Oft sind den Beteiligten die Möglichkeiten gar nicht bekannt.
Da die allermeisten GIS und CAD Systeme, die eine Kanalfachschale besitzen, auch ISYBAU unterstützen, ist folgender Kreislauf in der Bewirtschaftung von Kanalnetzen möglich:

Damit ist ein wesentlicher Kerngedanke von BIM, die modellbasierte Bewirtschaftung eines Bauwerks von der ersten Idee bis zum Abriss, erfüllt.
Zu dem oben dargestellten Kreislauf der Modelldaten kommt noch hinzu, dass auch Zustandsdaten (Schäden) digital verwaltet und ausgetauscht werden können. Die Digitalisierung in der Bewirtschaftung von Kanalnetzen scheint also perfekt zu sein.
Leider hat das Verfahren aber auch ein generelles Problem: Anders als zum Beispiel IFC wird ISYBAU nicht von einem neutralen Verband, sondern von der Liegenschaftsverwaltung des Bundes definiert. Motivation ist, den Datenaustausch für eigene Zwecke zu optimieren, Dritte dürfen allerdings das Format nutzen und die Dokumentation wird von der Oberfinanzdirektion Hannover veröffentlicht. Dies ist eine spezielle Situation, die nicht in jeder Hinsicht optimal ist:

Wie bei allen mir bekannten Daten – Formaten gibt es immer auch Sonderfälle, die die Väter der Systeme nicht bedacht haben und zu Schwierigkeiten im Datenaustausch führen.
Beispiel: Beginnt eine neu gebaute Rohrleitung nicht am Schacht, sondern mitten in einer nur teilweise zu erneuernden Haltung, so kann man ab ISYBAU XML 2006 diesen Übergang von alt auf neu mit dem Datenobjekt ‚Anschlusspunkt‘ beschreiben.
Manche Geoinformationssysteme unterstützen zwar ISYBAU XML, aber nicht das später hinzu gekommene Objekt Anschlusspunkt, sondern erwarten einen fiktiven Schacht.
Fiktive Schächte sind logische Knoten zwischen zwei Leitungsteilen, ohne dass es ein physikalisches Bauwerk gibt. Diese fiktiven Schächte waren im Grunde eine Notlösung im ursprünglichen Datenmodell von 1991: Eine Leitung musste immer von Schacht zu Schacht verlaufen. Gab es keinen Schacht, wie am Auslauf eines Regenwasserkanals in ein Gewässer, musste ein fiktiver Schacht angeordnet werden. Geknickte Haltungen konnten auch nur mittels der fiktiven Schächte dargestellt werden: Jeder Bogen in der Leitung war als fiktiver Schacht abzubilden. Aus einer geknickten Haltung zwischen zwei realen Schächten entstanden in dem Fall mehrere Haltungen in der ISYBAU – Datei.
In den späteren Datenmodellen (XML-Format ab 2006) konnte ein Rohr jedoch auch zwischen sog. Anschlusspunkten verlaufen, eine geknickte Haltung bleibt beim Export nach ISYBAU auch eine einzige Haltung. Die fiktiven Schächte in ISYBAU-Daten sind damit eigentlich überflüssig.
Wenn der Erzeuger der Daten, in der Regel eine Baufirma oder Vermessungsbüro, bei der Ausgabe des Bestandsmodells (as built) nicht weiß, dass das Zielsystem Anschlusspunkte nicht unterstützt, kommt es zu Fehlern bei dem Import in das GIS des Auftraggebers und zu viel schwieriger Kommunikation. Der Anwender des GIS bekommt, manchmal auch schwer verständliche, Fehlermeldungen und ist immer der Meinung, die Daten seien nicht in Ordnung, obwohl sein GIS einfach nur ein veraltetes Datenmodell unterstützt.
Der „schwarze Peter“ liegt dann leider immer bei der Baufirma, die die Bestandsdaten übergeben muss. Zu Datenaustauschformaten mit einer solchen Komplexität wie ISYBAU gehört eigentlich auch immer eine Schiedsstelle zur Klärung von Sonderfällen. Die Sonderfälle müssen dann auch in kommende Standards eingearbeitet werden, um die Probleme beim Datenaustausch künftig zu vermeiden.
Nach Aussage des ITWH in Hannover, welches Anfragen zu ISYBAU beantwortet, ist eine solche Vorgehensweise von den zuständigen Stellen des Bundes jedoch nicht angedacht.
Alternativ ist ein Prüfprogramm eines Anbieters von Kanalsoftware verfügbar. Es ist manchmal nützlich, um grobe Fehler in ISYBAU Dateien zu entdecken, als Schiedsrichter in Sonderfällen leider nicht zu gebrauchen. In diesen Sonderfällen denkt das Prüfprogramm logischerweise wie die Software dieses Anbieters. Daten, die die Prüfung dieses Tools fehlerfrei durchlaufen, können nach meinen Erfahrungen nicht fehlerfrei in jedes beliebige GIS importiert werden.
Diese Situation ist sehr schade, da die ISYBAU Schnittstelle sehr verbreitet und etabliert ist, jedoch in speziellen Fällen, wie oben ausgeführt, leider nicht problemlos nutzbar ist. Anwender und Softwarehersteller brauchen also mittelfristig eine Alternative.
Die Organisation buildingSMART wird neben IFC bridge und roads sicherlich auch den Kanalbau berücksichtigen.
Digitalisierung beutetet heute auch immer Internationalisierung. Rein deutsche Standards wie ISYBAU haben daher ohnehin wenig Zukunft.

Es bleibt zu hoffen, dass das künftige IFC Format für den Kanal eine genau so hohe Verbreitung wie ISYBAU erlangt, aber besser gepflegt und perfektioniert wird. Gute und vor allem eindeutige Datenformate sind die wichtigste Grundlage für Open BIM und eine erfolgreiche Digitalisierung!

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich ein neuer IFC Standard etabliert hat, ist ISYBAU jedoch weiterhin ein nützliches Werkzeug!

 

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